Wir haben die vielen Eisberge erfolgreich passiert. Offensichtlich hat unser Kapitän besser navigiert als seine Kollegen auf der Titanic. Wir konnten die Anblicke genießen, und mussten keine Angst um unser Schiff haben. Zumindest die meiste Zeit.
Heute war dann aber wieder Landtag angesagt. Die Erkältungen unserer kleinen Reisegruppe, die uns die letzten Tage noch ganz schön beschäftigt haben, sind wohl einigermaßen überstanden. So beginnen wir unseren Landgang zuversichtlich.
Heute gibt es direkt zwei Premieren für die Reise. Die erste Überraschung gibt es direkt am Morgen. Unser Hafen ist zu klein für unsere Aida, es gibt also keine Möglichkeit für uns direkt anzulegen. Aus diesem Grund werden die Rettungsboote zu Wasser gelassen, und wir tendern an Land. Zum ersten, aber auch nicht zum letzten Mal auf dieser Reise. Trotzdem ist das für Lotti und Theo natürlich total aufregend. Immer wieder wird gefragt, warum wir Rettungsboot fahren und wie genau das alles funktioniert. Die Aufregung legt sich dann auch bis zum Einstieg in das Boot nicht. Am Ende überstehen wir die kurze Fahrt ans Land aber gut und ohne großes Geschaukel.
Es wurde ja bereits eine zweite Premiere angekündigt. Dabei geht es um die Art wie wir heute das Land entdecken wollen. Für heute haben wir uns nämlich ein Auto gemietet, und fahren alle unsere Ziele direkt selbst an. Das ganze wirkte im Vorfeld eher dubios, weil die Autovermietung kein Wort englisch konnte und lediglich über WhatsApp erreichbar war. Auf unsere Frage, wo wir das Auto denn abholen können antwortete man nur, dass uns das Auto direkt zum Hafen gebracht wird. Ganz so, als gäbe es vielleicht gar keine Station. Wie dem auch sei, mit einer kurzen Verspätung stand dann jemand mit einem durchaus gut aussehenden Auto am Hafen und wollte von uns eigentlich nur noch eine Unterschrift. Nachdem er uns mit seiner Übersetzungsapp noch mitteilt, dass wir am Ende bitte tanken sollen, ist der nette Herr auch schon verschwunden und wir stehen da mit unserem Auto für den Tag. Sogar zwei Kindersitze gab es – und das sogar ordentliche.
Unser Ziel für heute ist der Vicente Pérez Rosales Nationalpark. Er liegt etwa zwei Stunden von Puerto Montt entfernt – also ein ganzes Stück weiter im Landesinneren. Genau dort hin machen wir uns nun auf den Weg. Zunächst führt unsere Route uns noch etwas durch die Stadt, bevor es dann für ein paar Kilometer auf die berühmte Pan Americana geht. Von hier aus könnte man also (fast) bis Alaska fahren. Soweit wollen wir heute aber nicht.
Nach einer Weile im Auto können wir zum ersten Mal das Highlight des Nationalparks erblicken. Wir schauen zum ersten Mal auf den Vulkan Calbuco. Mit über 2000 Metern Höhe, erhebt er sich deutlich über die restliche Landschaft und erstreckt sich heute sogar bis in die Wolken. Man kann die Form des Vulkans deutlich erkennen, auch wenn uns der Blick auf die Spitze heute verborgen bleibt. Entlang der Straßen gibt es immer wieder Wegweiser zur nächsten Evakuierungszone. Nötig ist das, weil der Vulkan für seine explosionsartige Aktivität bekannt ist. Zuletzt ist er vor 10 Jahren ausgebrochen, wo er eine riesige Aschewolke kilometerweit in die Luft schoss, und die ganze Gegend vollständig evakuiert werden musste. Heute deutet sich keine Aktivität an, der Anblick ist jedoch trotzdem majestätisch und macht einem die Machtverhältnisse auf diesem Planeten noch mal klar.
Eines der Ergebnisse früher Ausbrüche ist der Llanquihue-See , der sich entlang unserer Route erstreckt. Es ist der zweigrößte See Chiles und sieht aus unserer Perspektive eher aus wie ein Meeresabschnitt. An seinem Ufer gibt es viele kleine Städte, von denen wir auch einige Durchfahren. Diese Gegend scheint eine der touristischsten Regionen Chiles zu sein. Hier reiht sich eine Pension an die andere. Auch überraschend viele Campingplätze sind hier dabei. Und man sieht an vielen Gebäuden deutsche Fahnen. Aber Chile ist ja bekannt dafür, dass vor 80 Jahren viele deutsche hierher ausgewandert sind. Die Gegend hier ist bei richtigem Sommerwetter bestimmt traumhaft schön. Aber auch wenn die hohen Berge von Wolken verschleiert sind, hat die ganze Gegend ihren Charme. Weil wir mit dem eigenen Auto unterwegs sind, fühlt sich die ganze Erkundung auch noch etwas intensiver an.
Irgendwann erreichen wir dann aber die Zufahrt zum Nationalpark, und kurz darauf auch das dazugehörige Besucherzentrum, von dem aus die Wanderungen durch das Gebiet starten. Auch Chile hat bereits erkannt, dass man super Eintrittsgelder nehmen kann, um die Leute natürliche Highlights besuchen zu lassen. Für uns ist es dann eine relativ kurze Wanderung über eine Brücke und ein Stück Wald. Schon am Anfang des Pfades kann man das gewaltige Rauschen der Wassermassen hören. Und wir werden absolut nicht enttäuscht. Wasserfälle sind ja immer so eine Sache, mal sind sie ganz klein weil es lange nicht geregnet hat, sie sind extrem weit entfernt, sodass man kaum was erkennt oder das Wasser ist extrem verdreckt, und der Anblick macht deshalb keinen Spaß.
Hier ist nichts der Fall. Die Platformen zum Schauen sind nur wenige Zentimeter über den Felsspalten durch die das Wasser rauscht. Die Fälle sind außerdem bis oben hin voll mit türkisblauem Wasser, welches sich den Weg durch die engen Felsformen sucht.
Als wir am Wasserfall ankommen, schaut sogar noch kurz die Sonne raus, was die ganze Natur drum herum noch viel herrlicher erstrahlen lässt. Eine ganze Weile erkunden wir die Wasserfälle aus allen möglichen Winkeln. Auch die Kinder sind von der heutigen Attraktion total begeistert und haben bisher nicht erwähnt wie langweilig ihnen ist.
Neben der Tatsache, dass es in bisher allen südamerikanischen Städten an fast jeder Ecke ordentliche öffentliche und kostenlose Toiletten gibt, gibt es auch fast überall was zu essen. Und so gibt es auch hier, mitten im Wald im Nationalpark ein kleines Café, welches frische Empanadas und Sandwiches verkauft. Weil es sowieso schon nachmittags ist, und zum mindest unsere zwei kleinen Reisebegleiter Hunger haben, kaufen wir hier noch ein paar Kleinigkeiten bevor wir zurück zum Auto gehen. Während die Kinder ein Grilled Cheese Sandwich bekommen, nehmen wir eine mit Fleisch gefüllte Empanada. Die haben wir bisher eigentlich überall probiert und im Gesamtranking würde sie hier gar nicht so schlecht abschließen. Gerade weil sie mit echten Steak-Streifen gefüllt ist, und nicht nur mit Hackfleisch.
Während wir noch mit dem Essen zurück zum Auto laufen, fängt es dann aber leider doch relativ heftig an zu regnen. Das versaut uns dann doch auch etwas die weiteren Pläne. Von hier ist es eigentlich nur ein kurzer Weg zur Panoramastraße die den Vulkan hinauf führt. Wir versuchen auch den Weg noch anzutreten, merken aber schnell, dass unser Anliegen sinnlos ist. Die Straße ist teilweise schon mit sehr tiefen Pfützen übersät und die Wolken hängen sehr tief. Außerdem bekommen wir in Hinblick auf die doch recht lange Rückfahrt dann auch langsam Zeitdruck, sodass wir Verzögerungen durch den Regen eigentlich nicht riskieren können. Deshalb entscheiden wir uns irgendwann dazu umzudrehen, und machen uns auf den Weg zurück nach Puerto Montt.
Wir nehmen extra eine andere Route als auf dem Hinweg, um noch etwas mehr vom Land zu sehen. Wir fahren an einer deutschen Schule vorbei, die sich von der Außenwirkung sehr deutlich von den restlichen Gebäuden der Stadt abhebt. Wir fahren auch durch ein paar normale Wohngebiete. Auch hier sieht man einen deutlichen Unterschied zu den Villen, die wir zuvor noch an der Küste des Sees erblicken konnten. Durch eine der Städte fahren wir auch zu der Zeit, als die Schule aus. Und auch hier stehen viele Eltern mit ihren Autos direkt vor dem Tor der Schule. Also wohl ein weltweites Phänomen.
Als wir zurück in der kleinen Hafenstadt ankommen, indem die AIDA noch auf uns wartet, haben wir noch eine Stunde Zeit und entschließen uns so, den örtlichen historischen Markt anzuschauen.
Auch bei wenn die meisten der kleinen Stände bereits geschlossen sind, erhält man doch einen schönen Einblick. Besonders interessant ist die Tatsache, dass auf dem Teil des Marktes auf dem Fisch angeboten wird, nicht nur Menschen und Hunde die Gänge entlang schleichen, sondern auch gerne mal ein riesiger Seebär. Die sind hier sogar so frech, dass sie in die Mülltonnen klettern, in denen die Fischabfälle weggeschmissen werden. Die niedlich aussehen Tierchen, wiegen ausgewachsen gern mal um die 300 Kilo. Da wird einem schon etwas anders, wenn die in ein paar Zentimetern Entfernung an einen vorbei schnaufen.
Zwei besonders relaxte Tiere haben es sich dann auch vor der besagten Mülltonne gemütlich gemacht. Als es ihnen dann aber zu bunt wurde, und die Touristen ihnen dann doch zu sehr auf die Pelle rückten, stellten sie eindrucksvoll unter Beweis wie schnell sie sich auch an Land trotz ihrer Größe bewegen können. Vor allem die beiden Herren, die unbedingt ein Foto aus nächster Nähe machen wollten, mussten auf einmal ganz schön zusehen wie sie wegkommen.
Wir fahren mit unserem Mietwagen anschließend noch zur Tankstelle. Bei denen muss man hier übrigens gar nicht aus dem Auto aussteigen. Das erledigen hier Angestellte, die einem das Auto tanken und danach das Karten-Lesegerät direkt durch die Scheibe halten.
Am Hafen angekommen wartetet unser Autovermieter auch schon auf uns, und wir konnten unser Auto ganz problemlos direkt wieder abgeben. Anschließend nahmen wir eines der letzten Tenderboote zurück zum Schiff – oder so dachten wir zumindest.
Kaum waren wir angekommen gab es eine Durchsage vom Kapitän, dass wir auf Grund von einer medizinischen Ausschiffung noch nicht losfahren können. Mehr wissen wir dann auch nicht, aber das ganze Prozedere dauerte am Ende noch mehr als zwei Stunden. Diese hätte man aber sowieso nicht für Landgänge nutzen dürfen.
Nun freuen wir uns auf einen ruhigen Seetag auf dem Weg nach San Antonio.