Heute machen wir mal was ganz verrücktes, und fangen mit unseren Erzählungen am gestrigen Tag an. Gegen 17:00 Uhr ertönte eine Durchsage unseres Kapitäns, er bittet alle Passagiere um 20:00 Uhr ins Theatrium. Es gäbe wichtige Dinge zu besprechen. So kurz vor dem ersten Highlight der Reise, Rio deJaneiro, machen sich natürlich schnell die Sorgen breit, wir könnten den Hafen nicht anlaufen. 

Das ganze Theater platzt entsprechend schon um 19:30 aus allen Nähten. Pünktlich um 20:00 tritt dann unser Kapitän auf die Bühne und zeigt uns Seekarten mit tief lilanen Farben auf unserem Weg. Das bedeutet Sturm. Viel Sturm. Mit viel Regen. Ein Glück betrifft das Szenario aber nicht Rio, sondern erst den nächsten Hafen in Montevideo in Uruguay. Er zeigt uns zwei Varianten auf, wenn sich der Sturm nicht verzieht, bleiben wir noch eine weitere Nacht in Rio, und der Stop in Uruguay muss ausfallen. Die Entscheidung wird für morgen, also heute Abend angekündigt. Wie es ausgeht, erfahrt ihr am Ende des Beitrages.

Zurück in die Gegenwart, oder zumindest den heutigen Tag. Unser heutiger Stop in Rio de Janeiro hält mehrere Besonderheiten für uns bereit. Wir werden erst um 13:00 Uhr anlegen, dafür aber auch über Nacht bleiben und dann erst morgen Abend losfahren. Die zweite Besonderheit ist, das wir hier einen Ausflug gebucht haben – allerdings nicht über Aida, sondern einen privaten Touranbieter. Diese Rundfahrt ist speziell auf Familien mit Kindern angepasst, und so sind wir natürlich nicht die einzige Familie, die an diesem Ausflug teilnimmt. Durch die größere Anzahl an Kindern erhoffen wir uns ein größeres Interesse unseres Nachwuchses an einem Spaziergang durch die Stadt. Und es wird ein ganz besonderes Erlebnis werden, eines, welches wir mit Sicherheit nicht so schnell vergessen werden..

Schon die Einfahrt nach Rio ist ein absolutes Highlight. Durch die Lage in der Bucht, sieht man schon in den letzten zwei Stunden beim Einlaufen in den Hafen die großen Sehenswürdigkeiten vom Schiff aus. Wir werden von der Christus Statue und dem Zuckerhut begrüßt. Außerdem werden wir von schlechtem Wetter begrüßt – etwas was wir gar nicht mehr kennen. Aber noch ist alles im Rahmen, es tröpfelt zwar ein bisschen ist aber trotzdem warm. Außerdem zeigen sich immer mal wieder ein paar Löcher in der Wolkendecke. Also noch kein Grund den Kopf ins Wasser(?) zu stecken. 

Wir genießen das Einlaufen in den Hafen zunächst noch von unserem Balkon, bis wir uns dann aber doch irgendwann auf den Weg nach oben machen, um auch den Blick auf der anderen Seite zu genießen. Während die Kinder etwas Spielen, gucken wir uns mit anderen Eltern einige spektakuläre Landungen auf dem Flughafen von Rio an und freuen uns auf einen tollen Tag. 

Überpünktlich wird das Schiff am Hafen festgemacht und von den Behörden freigegeben. Wir machen uns also auch pünktlich auf den Weg die 7 – Millionen Einwohner Stadt zu erkunden. Direkt vor dem Hafen wartet unser Touranbieter und unser Guide Helena auf uns. Helena lebt in Rio, ist aber auch halb deutsche, und so ist unsere Reisebegleitung dieses Mal sogar auf deutsch. Nach kurzer Zeit sind auch alle Familien angekommen und wir machen uns auf den Weg zu unserem Bus. Unsere kleine Gruppe besteht heute aus 19 Personen, also ein Witz gegen das, was AIDA selbst so umher karrt. 

Der erste Höhepunkt unserer Rio-Tour wartet bereits auf uns: der Zuckerhut. Schon während wir uns durch das pulsierende Herz der Stadt schlängeln, rückt der markante Gipfel immer näher ins Blickfeld und sorgt bei uns allen für gespannte Vorfreude. Besonders die Kinder sind begeistert – ein hoher Berg, auf den man mit einer Seilbahn fahren kann? Das klingt nach einem Abenteuer!

Die Seilbahnstation am Fuß des Zuckerhuts ist gut besucht, doch unser Guide Helena hat das geschickt eingeplant. Wir müssen nicht lange warten, bis wir in die erste Gondel steigen können. Die Seilbahn führt uns zunächst zur Zwischenstation auf den Morro da Urca, wo wir bereits die erste atemberaubende Aussicht auf die Stadt, die Bucht und das umliegende Meer genießen. Auch einen kleinen Affen konnten wir in den Bäumen sehen. Der Blick von hier ist schon beeindruckend, aber das Highlight steht noch bevor.

Nachdem wir die Landschaft ein wenig auf uns wirken lassen haben, geht es weiter zur finalen Fahrt hoch hinauf auf den eigentlichen Zuckerhut. Die Gondel schaukelt leicht, und wir fühlen ein angenehmes Kribbeln im Bauch, während wir immer höher schweben. Oben angekommen, eröffnet sich uns ein Panorama, das uns für einen Moment den Atem raubt. Die Aussicht auf die Christusstatue, das blaue Meer und die endlosen Strände Rios ist schlichtweg überwältigend.

Wir bleiben eine Weile oben, genießen die Stimmung und machen natürlich jede Menge Fotos – wer weiß, wann wir so einen magischen Moment noch einmal erleben werden. Die Kinder toben herum und entdecken immer neue Perspektiven, während wir den Ausblick in vollen Zügen genießen.


Doch dann ist es auf einmal ganz schnell vorbei. Denn das Wetter ändert sich schlagartig. Sonnig war es die ganze Zeit nicht; aber nun fängt es an wie aus Eimern zu schütten. Wir konnten beobachten, wie es aus Richtung der Christusstatue immer dunkler und windiger wurde. 

Die Aussicht ist von der einen Sekunde auf die nächste komplett dahin. Wir sind in Wolken gehüllt. In alle Richtungen sieht man nur noch eins: weiß. Dazu weht auf einmal ein heftiger Wind, der im Grunde sämtliche Gegenmaßnahmen zum Regen zu Nichte macht. Unser Hauptgedanke ist eigentlich nur, wie wir jetzt vom Berg wieder runter kommen sollen. Das die Seilbahn noch fährt, daran glaubt eigentlich niemand mehr. Der Wind ist so stark, dass die Gondeln viel zu stark schwingen müssen.

Nachdem unsere freie Zeit oben abgelaufen ist, stellen wir uns trotz des starken Regens in die Schlange zur Talfahrt an. Überraschenderweise bewegt sich die Schlange sogar – die Seilbahn fährt also noch. Die Gondeln selbst sind in dichte Wolken gehüllt, sodass wir sie kaum sehen können. Auf unsere besorgte Frage, ob der Betrieb bei zu starkem Wind eingestellt wird, antwortet Helena mit einem wenig überzeugenden „Ja, bestimmt.“ Trotzdem steigen wir ein, und entgegen aller Erwartungen schaukelt die Gondel kaum. Die Fahrt verläuft ruhig, und wir kommen sicher an der Zwischenstation an.

Von dort aus führt uns ein kleiner, bewaldeter Pfad, gesäumt von exotischen Pflanzen und sogar ein paar Stinkfruchtbäumen, zur letzten Gondelstation. Ein kleiner Regenwald mitten in der Stadt! Auch die abschließende Fahrt zurück zum Fuße des Zuckerhuts meistern wir ohne Probleme und sind erleichtert, als wir schließlich wieder in unseren Bus steigen.

Inzwischen dämmert es – vielleicht wegen der schwarzen Regenwolken, die Rio in ein mystisches, dunkles Licht tauchen. Nächster Halt: die berühmten Selarón-Treppen. Als wir ankommen, öffnet der Himmel seine Schleusen komplett, und es schüttet wie aus Eimern. Glücklicherweise bleibt es warm, und wir sind gut vorbereitet mit unseren Regenjacken. Die Händler am Straßenrand wittern ihr Geschäft und bieten Regenponchos an, doch wir lehnen dankend ab.

Normalerweise sind die Selarón-Treppen von Touristen überrannt. Heute aber, vermutlich wegen des Regens, haben wir sie fast ganz für uns allein – ein echter Glücksfall! Die bunten Fliesen, die der Künstler Jorge Selarón im Laufe seines Lebens gesammelt und hier angebracht hat, leuchten umso intensiver in den grauen Dunst des Regens. Ursprünglich war die Treppe eine einfache, graue Steintreppe, doch Selarón fand sie so langweilig, dass er begann, sie mit Keramikfliesen aus aller Welt zu verschönern. Mit der Zeit brachten ihm Besucher Fliesen aus ihren Heimatländern mit, und so wurde die Treppe zum Symbol für Vielfalt und Kunst in Rio. Traurigerweise endete das Leben dieses einzigartigen Künstlers auf mysteriöse Weise: Selarón wurde vor einigen Jahren tot an seiner geliebten Treppe gefunden. Bis heute weiß niemand genau, was damals geschehen ist, und so ranken sich viele Legenden um diesen Ort.

Nach einem letzten Blick auf die bunten Fliesen, die in den Regenpfützen schimmern, machen wir uns – mittlerweile völlig durchnässt – auf den Rückweg zum Bus. Jeder Schritt in unseren Schuhen klingt wie ein nasses Platschen, denn das Wasser steht uns mittlerweile bis zu den Knöcheln. Wir fühlen uns, als hätten wir gerade einen Dauerregen-Marathon hinter uns. Kein einziges Kleidungsstück an uns ist noch trocken – alles klatscht und klebt. Zurück an Bord können wir es kaum erwarten, alles auszuziehen und uns in etwas Trockenes zu hüllen. Bis morgen früh haben wir immerhin noch Zeit, zumindest die Schuhe irgendwie trocken zu bekommen.

Ganz am Ende müssen wir ja noch etwas auflösen. Direkt als wir auf das Schiff zurück kommen macht der Kapitän seine versprochene Durchsage. Der Sturm in Montevideo ist weiter gezogen. Wir können unsere Reise wie geplant fortsetzen.