Die Seepassage um Kap Hoorn ist mehr als nur ein geografischer Punkt – sie ist ein Mythos, ein Synonym für Abenteuer und eine Herausforderung, die Seefahrer seit Jahrhunderten in ihren Bann zieht. Hier, am südlichsten Ende Südamerikas, treffen der Atlantik und der Pazifik in einer wilden Umarmung aufeinander, die legendär für ihre stürmischen Winde, eisigen Temperaturen und gigantischen Wellen ist. Kap Hoorn, oft als das „Ende der Welt“ bezeichnet, war einst die Hauptroute für Handelsschiffe zwischen Europa und Asien, bevor der Panamakanal eröffnet wurde. Geschichten von tapferen Seeleuten, die die Passage wagten, und von Schiffen, die in diesen unbarmherzigen Gewässern verloren gingen, prägen die Geschichte dieses Ortes. Doch Kap Hoorn ist nicht nur eine Herausforderung der Naturgewalten – es ist auch ein Symbol für den unerschütterlichen Entdeckergeist. Und heute ist genau dieser Ort unser Ziel.

Gestern Abend war unser erster Offizier als oberster Routenplaner im Theatrium und hat uns auf die bevorstehende Passage vorbereitet. Und bereits seine Erzählungen steigern unsere Vorfreude auf die kommenden Tage gewaltig. Aber um nichts vorwegzunehmen geht es heute nur um Kap Hoorn. Den Rest erfahrt ihr dann hier. 

Wir müssen aber noch etwas von gestern Abend nachtragen. Wir hatten uns abends aus der Kabine gewagt um bei „the Voice of the Ocean“ im Brauhaus zuzuhören, quasi Karaoke. Auf Zetteln konnte man hinterlegen, welchen Song man performen möchte. Mit uns waren unsere Schiffsfamilienfreunde Ines und Martin (die uns auf in Buenos Aires begleitet hatten). Flo und Martin witzelten die ganze Zeit und überlegten welchen Song sie denn performen könnten. Aus Spaß wurde ernst als die Kidsclub-Betreuerinnen auftauchten und kurzerhand eine Bewerbung für die beiden einreichte. Um 22:45 Uhr war es dann endlich so weit. Die mutigen „KidsClubDads“ haben es durchgezogen und „ein Kompliment“ von den Sportfreunden Stiller performt. Super mutig und richtig witzig! 

Aber nun zu heute:

Also Offizier Jakob hatte die große Freude uns zu verkünden das uns besonders gutes Kap Hoorn Wetter bevorsteht. Wie oben schon geschrieben befinden wir uns hier in einem sehr berücksichtigten Seegebiet und die westlichen Winde und Wellen kommen hier unbegrenzt vom Pazifik angeflogen und bringen manchmal sogar abgebrochene Eisberge mit sich. Daher spricht man in der Drake-Passage (so der offizielle Name nach dem Seefahrer Francis Drake) auch meist von Drake-Shake. 

Uns stehen wohl nur so 80 Knoten Wind bevor. Daher wagen wir die Anfahrt und sogar eine Umrundung entgegen den Uhrzeigersinn der Insel Isla Hornos, auf den sich das Kap befindet. 

Der Seetag beginnt wie immer sehr freundlich sonnig und ohne große Wellen und Wind. Zur Mittagszeit passieren wir bereits den östlichsten Zipfel von Argentinien und biegen hier noch nicht in den Beagle-Kanal nach Ushuaia sondern ändern den Kurs Richtung Kap, welches wir um 18:30 Uhr erreichen sollten. Hier wird es einmal kurz etwas schaukelig, weil die Wellen und Strömungen aus verschiedenen Richtungen aufeinander treffen. Wir dachten das erwartet uns erst später..

Zum Abend wird die Stimmung an Board immer aufgeregter. Die Restaurants öffnen extra eine Stunde früher, damit man noch in Ruhe essen kann. Bevor wir durchgeschaukelt werden? Noch ist davon nichts zu merken und man kann die Insel bereits kurz vor 18 Uhr erkennen. Haben wir uns verfahren?

Da wir gegen den Uhrzeigersinn fahren, können wir das folgende Spektakel nicht vom Balkon verfolgen, sondern gesellen uns auf Deck zu vielen weiteren Schaulustigen. 

Pünktlich um 18:30 Uhr meldet sich der Kapitän mit seiner ersten Durchsage des Abends. Auch er klingt heute nicht so abgeklärt wie sonst. Er sagt das es nun etwa 1,5 Stunden dauert bis wir die Insel fast komplett umrundet haben und den berühmten Leuchtturm sehen können. Er verspricht uns tolle Momente und überlässt dann dem Lektor das Wort. Beide sind sich einig, dass was wir hier heute erleben ist unglaublich und fast einmalig. Wir haben fast keinen Wind! Keine Wellen! Und die Sonne scheint! Auch die örtlichen Lotsen bestätigten, dass dies eine äußerst seltene Sache ist. Wir erleben heute den Drake-Lake. Die Landschaft, die schroffen Felsen und dann doch immer mal wieder grüne Flecken dazwischen sind der Wahnsinn und kaum bis gar nicht mit irgendwas zu vergleichen. Das Kap rückt immer mehr in Sichtweite, da ertönt wieder der Kapitän. Er hat eine erste Überraschung des Abends. Es ist alte Tradition, dass man sich erst „Kaphoornier“ nennen darf, wenn man das Kap ohne Motor bezwungen hat. Also stellt die Aida kurzerhand die Motoren ab und, um es mit den Worten des Kapitäns zu sagen: „geben wir uns ab dem Typhoon Signal fünf Minuten lang den Wellen hin und umsegelten das Kap“. Diese Stille, die Stimmung der Abendsonne, das ist so unglaublich schwer in Worte zu fassen und wir hoffen die Bilder können das etwas wiedergeben. 


Nachdem wir den Motor wieder angestellt hatten, meldet sich der Kapitän für Überraschung Nummer zwei. Wie wir vorher erfahren hatten, lebt auf der Insel ein „Leuchtturmwärter“ mit seiner Familie (Frau und zwei Kinder 8 und 14 Jahre). Da die Versorgung mit frischen Lebensmitteln an diesem Ort der Welt eher schwierig ist, helfen wir heute aus. 4 Brückenmitglieder fahren mit unserem Zodiac vollbeladen mit Lebensmitteln und Geschenken für die Kinder. Während dessen treiben wir etwa 45 vor der Insel mit Prämiumblick auf den Leuchtturm und das berühmte Albatrossmahnmal. Das können wir glücklicherweise nun auch von der Kabine beobachten. Da wir uns einmal drehen. Unter tosendem Applaus fährt unsere Crew los und wird auch später wieder begrüßt. Sie haben auch eine Schiffsflagge abgegeben, die dort in die Sammlung mit aufgenommen wird. Bei untergehender Sonne verlassen wir diesen magischen Ort und fallen glücklich ins Bett.

Morgen wachen wir dann quasi wieder am Ende der Welt auf. Nur auf dem Festland. 

Achja: 

Es bestand auch die ganze Zeit Kontakt zwischen Brücke und Insel. Daher haben wir erfahren, dass der Leuchtturmwärter José heißt und mit seiner Familie bereits im zweiten Jahr dort ist. Die Stelle wird immer für ein Jahr vergeben. Es hat ihnen so gut gefallen, dass sie sich nun schon auf das dritte Jahr beworben haben. Die Familie hat auch Fotos vom Schiff gemacht. Wenn wir die irgendwie bekommen, packen wir sie mit in den Bericht.